Die Begegnung Schachelschweine gegen den Schachklub Wilhelmsburg darf man getrost als El Classico der HJMM bezeichnen; Das mittlerweile dritte Aufeinandertreffen in 1,5 Jahren stand auf dem Plan und sollte direkt zu Saisonbeginn die Weichen beider Teams für den vermutlich anstehenden Abstiegskampf stellen. Eine Primäre gab es trotzdem: Zum ersten Mal in der Geschichte dieses Duells traten beide Mannschaften vollständig an.
Luke war der Erste, der seine Partie beendete. Er musste die ganze Zeit etwas Druck aushalten, aber am Ende hielt er mit Schwarz souverän Remis. Dies sollte dann auch die letzte halbwegs normale Partie des Tages bleiben.
Das erste Drama ereignete sich bei Lasse an Brett 5: Sein Gegner hatte früh zweizügig einen Turm eingestellt, dafür allerdings etwas Angriff bekommen. Ob der objektiv betrachtet für irgendwas reichen sollte, sei dahingestellt, aber objektiv ist alles immer leicht und eindeutig, am Brett reichte der Druck, um Lasses Dame mit einem Spieß zu fangen und im Anschluss dem offenen König an den Kragen zu gehen. Kritisch betrachten muss man das Zeitmanagement beider Spieler, die beide im 30. Zug zwar noch 50 Minuten auf der Uhr, dafür aber schon einen Turm bzw. eine Dame weniger hatten.
Das zweite Drama ereilte uns an Brett 6. Lorik verteidigte lange und äußerst präzise ein Turmendspiel mit Minusbauern und konnte Letzteren sogar noch zurückgewinnen, bevor es seinem Gegner gelang, von Loriks Zeitnot zu profitieren, die Türme abzutauschen und auf Grund des aktiveren Königs die Partie doch noch zu gewinnen.
Drama Drei folgte kurz darauf an Brett 2. Lara dominierte die Eröffnung, wie es schien nach Belieben, und konnte im frühen Mittelspiel 2 Bauern gewinnen. Leider bedeuteten die fehlenden Bauern offene Diagonalen für das Läuferpaar des Gegners und zusammen mit Laras passiv stehenden Figuren war dies tatsächlich mehr als nur ausreichende Kompensation. Zwischenzeitlich ergab sich eine amüsante Stellung, in der 5 Figuren auf dem Brett verteilt hingen, von denen allerdings keine geschlagen werden durfte. Wie an Brett 6 brachte auch hier die Zeitnotphase die Entscheidung und dieses Musterbeispiel für Kompensation durch Aktivität ging an Wilhelmsburg.
Ein Drama hätte auch Tills Partie am 4. Brett werden können, stattdessen verwandelte es sich in einen Fiebertraum, bei dem vermutlich weder Spieler noch Zuschauer wissen, wie das jetzt genau passieren konnte. Der Reihe nach: Früh in der Partie musste Till Turm und zwei Bauern für zwei Leichtfiguren geben und drohte, von der gegnerischen Bauernkette überrollt zu werden. Statt sich seinem Schicksal zu ergeben, bewies er (nicht zum letzten Mal in dieser Partie) Kämpferherz und stoppte den Bauernsturm mit schönen Leichtfigurenmanövern, bevor es ihm sogar gelang, die Bauernkette aufzusprengen und einen davon mitzunehmen. Irgendwie ging ihm in der Folge allerdings eine Leichtfigur verloren. Beim Versuch, den Gegner mit einer Fesselung auszutricksen, trickste er sich selbst aus, übersah eine gegnerische Fesselung und verlor Leichtfigur Nummer 2. Doch Till hatte noch ein Ass im Ärmel, bzw. eine Dame auf dem Brett, und mit deren Hilfe gelang es ihm, einen Spieß gegen König und Dame seines Gegners aufzubauen und das daraus resultierende Endspiel Dame gegen Turm souverän nach Hause zu bringen.
So spektakulär die Bretter 2–5 auch verliefen, für unsere Verhältnisse waren die Partien recht schnell beendet, alle waren noch vor der ersten Zeitkontrolle vorbei. Yannic und sein Gegner an Brett 1 schienen dies als Motivation anzusehen, ihren Kamerad*innen eine Lektion in Sachen Sitzfleisch zu erteilen. Sie spielten eine ruhige, aber komplizierte Stellung, in der beide versuchten, den jeweils anderen langsam mürbe zu kneten. Nachdem Yannic die erste Zeitnotphase mit noch 3 Minuten für 10 Züge überstanden hatte, wurde im Vereinsraum beschlossen, langsam die Hotdogs vorzubereiten, während man den Wilhelmsburgern Terraforming Mars erklärte: Allzu lange könnte die Partie ja nicht mehr dauern, war die allgemeine Meinung. Ein ähnlicher Gedanke wurde geäußert, als beide Spieler in der zweiten Zeitnotphase mit noch 8 bzw. 3 Minuten unterwegs waren, und dank Inkrement sollten tatsächlich auch nur knapp 25 weitere Minuten vergehen, bevor Yannic seinen Gegner nach 5 ½ Stunden Kampf endlich niedergerungen hatte. Fürs Mannschaftsergebnis nur noch Kosmetik, für Yannic ein hübsches DWZ-Plus.
Am Ende also eine 11:13 (2,5:3,5) Niederlage. Knapp, aber auch verdient, wie man selbstkritisch anmerken muss, da man an gleich 3 Brettern mehr oder weniger sichere Punkte hat liegen lassen. Aber mit ein bisschen Feinschliff an der Chancenverwertung ist in dieser Saison noch alles drin. Am zweiten Spieltag (09.11.) geht es nach Schnelsen zu Königsspringer.
Bericht von René Lohmann